Im Sommer 2002 war es dann soweit unser Projekt “Survival Tour Norwegen” ging in die Realisierungsphase. Aufgrund unserer Erfahrungen in der Vorbereitungsphase wollten wir den Begriff Survival neu definieren, wir entschlossen uns zu “Survival im weitesten Sinne”. Ein solides Zelt, ein Benzinkocher und Nahrungsmittel in ausreichender Menge wurden mitgenommen. Der Flug von München nach Oslo und speziell der Abschnitt Oslo – Bodø – Narvik war ein Augenschmaus. Wir flogen entlang der Küstenlinie nach Norden, das Wetter klarte auf und wir hatten eine phantastische Sicht in die Fjorde der Westküste sowie auf die Gletscher und Täler Norwegens. Ein umwerfendes Land voller Naturschönheiten erwartet uns und als wir in Narvik den Flughafen verlassen, lächelt uns die Sonne entgegen.
Unser erster Marsch stand uns bevor und nach dem Umpacken der Rucksäcke spazierten wir Richtung Ortszentrum. Auf dem Weg wurde auch unser wichtigster Einkauf, eine Wanderkarte der Region, getätigt. Da wir uns schon ein wenig über Narvik informiert hatten wussten wir, dass im 2. Weltkrieg hier und in den dahinter liegenden Bergen hart gekämpft wurden. So trieb es den historisch interessierten Urlauber ins örtliche Kriegsmuseum.
Nach unserem Kulturprogramm machte sich jedoch Ratlosigkeit breit. Wir hatten im Vorfeld, mit Ausnahme des Flugs, nichts organisiert. Wir wussten nichts über Wanderwege, Naturdenkmähler oder Sehenswürdigkeiten der Region. Da wir uns aber als autarke Einheit verstanden war das nicht weiter schlimm. Wir mussten erstmal raus aus Narvik, zwei Richtungen waren möglich, der Fjord im Norden (Rombakenfjord) oder der im Süden (Beisfjord).
- Center of map
- markers
- more markers
Karte: Norwegen (Narvik) – Schweden (Abisko) Punkte und Route können abweichen!
Wir entschieden uns für den Süden und nahmen den Bus nach Beisfjord, einem 800 Einwohner zälenden Dörfchen. Ein Blick auf die Karte und die Marschrichtung war klar. Auf zum Skandalsvatnet, einem kleinen See an dem wir unser Nachtlager aufschlugen. Wir grillten ein paar Würste und genossen den schier unendlich lange dauernden Sonnenuntergang. An diesem Abend wussten wir noch nicht, dass wir der Zivilisation für die nächsten eineinhalb Wochen “lebe wohl” gesagt haben. Wir beobachteten wie ein Greiffogel über dem See seine Kreise zog und wir waren zufrieden.
Am nächsten Morge begrüßte uns der selbe Vögel mit lautem Gekrähe. Erst später bemerkten wir, dass es sich wohl eher um Hohn- und Schmährufe als um eine morgendliche Grußformel gehandelt haben muss. Unser Kühlschrank (die restlichen Würste und unser Käsevorrat für eine Woche wurden im Seewasser verpackt und versänkt) wurde über Nacht geplündert. Bis zum heutigen Tag haben wir den Vogel im Verdacht dieses Verbrechen begangen zu haben.
Unser ursprünglicher Plan war es eigentlich in narviks Hinterhof ein bischen spaziern zu gehen und nach zwei bis drei Tagen zurückzukehren um Vorräte aufzutanken. Beim genaueren Studium der Karte schien uns aber ein anderes, ein um ein vielfaches weiter entferntes Ziel besonders reizvoll. Weit im Osten lag ein großer See namens Torneträsk an seinem Ufer befindet sich das kleine Dorf Abisko. Erst später erfuhren wir, dass sich südwestlich von Abisko ein großer Nationalpark erstreckt. Ein sehr bekannter Weitwanderweg der Kungsleden verläuft dort, der weiter im Süden am höchsten Berg schwedens dem Kebnekaise (2104 m)vorbeiführt.
Wir waren begeistert und überschlugen im Kopf wie viele Tage wir ohne zusätzlichen Proviant auskommen können. Bis nach Abisko können wir es schaffen. Da wir wussten wie teuer Lebensmittel in Scandinavien sind, haben wir in Österreich noch ein Expeditionskorps in den Supermarkt unseres vertrauens entsant um uns mit vornehmlich Nudeln einzudecken. Wir hatten Spaghetti in nahezu industriellen Mengen! Von nun an würde es eine Woche lang Nudeln geben. Aber der junge ernährungsbewusste Österreicher hat doch stehts auf abwechslungsreiche Kost zu achten. Aus diesem Grund hatten wir, in kleinen Päckchen verpackt: Basisgewürz Carbonara, Basisgewürz Bolognese, Basisgewürz Arrabiata … was unserem Mahl jeden Tag eine andere Geschmacksrichtung verlieh.
Nudeln haben den Vorteil, dass sie (im Falle der Spaghetti) nur sehr wenig Platz im Rucksack einnehmen. Sie spenden viel Energie und verderben nicht. Der Nachteil des langen Kochens fällt durch ein Überangebot an Holz nicht ins Gewicht. Auch um Trinkwasser braucht man sich in Lappland nicht zu sorgen, die Ökosysteme erfreuen sich hier bester Gesundheit und man kann fließendes Wasser aus jedem Bach ohne Bedenken trinken.
In Lappland regnete es damals eigentlich jeden Tag, aber nicht so wie zuhause in Mitteleuropa, wo Regegngüsse lange und ergiebing sind und über mehrere Tage andauern. Hier in Norwegen ist das Wetter viel launischer und wechselhafter, mal regnet es eine halbe Stunde, dann scheint wieder zwei Stunden die Sonne. Man sollte für jede Eventualität gerüstet sein. In der Nacht kann es auch noch ziemlich abkühlen und ein warmer Schlafsack ist sehr wichtig.
Bild: Froh waren wir um unser Mc Kinley Zelt, es hielt Wind und Wetter stand und ein zuverlässiges Mückengitter ist vorallem in Schweden, wo die Täler weiter und sumpfiger sind, sehr wichtig.
Am nächsten Tag regnete es jedoch richtig stark und nach sumpfig nassem Weitermarsch, trafen wir ein paar norwegische Jugendliche die gerade auf Sommerferien-Abschluss-Tour waren und sie luden uns in ihre Hütte (Lossistua östlich des Lossivatnet Sees, siehe Karte) ein. Was wir damals noch nicht wussten ist, dass man sich in Narvik einen Schlüssel für die im Umland liegenden Berghütten um damals 200 NKO (ca. 25 Euro) kaufen kann und die Hütten dann auch nach Belieben nutzen darf. Die Hütten sind mit allem Nötigen ausgestattet. Es gibt Betten, eine Küche mit genügend Feuerholz und ausreichend Platz um unsere nasse Ausrüstung zu trocknen. Unsere norwegischen Freunde waren bester Laune und Rainer und ich waren froh, diese Nacht ein Dach über dem Kopf zu haben.
… weiter zu Kapitel III