Von Innsbruck bis Amsterdam immer dem Rhein folgend …
Meine erste große Radtour in 2006, ein tolles Raderlebnis, erste Erfahrungen, und bleibende Eindrücke. Die Tour führte mich von Innsbruck in die Schweiz den Rhein entlang, dann nach Frankreich ins Elsass und später durch Deutschland und die Niederlande nach Amsterdam.
Endlich sollte es eine höhere Distanz sein und nach ersten Erfahrungen, eine 5 Tagestour durch Tirol und Vorarlberg und eine 3 Tagestour von Innsbruck an den Comosee, wollte ich eine mehrwöchige Tour in Angriff nehmen. Ein bisschen Erfahrung hatte ich bereits, zum Beispiel hatte ich mich in den vorigen Touren so verausgabt (die Tirol- Vorarlberg Tour ging über 3 Pässe), dass ich bei Tourende reif für eine mehrtägige Rehabilitation war. Auf jeder Tour hatte ich mich komplett überanstrengt und ich wusste zumindest, dass mir das nicht wieder passieren darf. Ich wollte auf einem Radweg unterwegs sein und es sollte überwiegend flach sein. Natürlich soll mich meine Tour auch in fremde Länder führen!
Nach erfolgter Internetrecherche war mein Ziel gefunden: Amsterdam. Ich wollte von der Quelle des Rheins aus bis zu seiner Mündung nach Holland radeln. Es versprach überwiegend flach zu sein und historisch so wie Landschaftlich sicher interessant.
Meine Ausrüstung war damals noch sehr studentisch, ein billiges 400 euro Mountainbike, völlig unzureichende Packtaschen, Zelt und Kocher mussten auch mit und zu guter letzt noch eine grobe Straßenkarte von ganz Deutschland. Genaueres Kartenmaterial bzw. Wegbeschreibungen für den Rheinradweg waren im Budget nicht enthalten. Ich hatte einen alten Radhelm, keine Gore tex Gewand, keine Fahrradschuhe mit Klips, nur die Mountainbike Stollenreifen wurden durch glatte Straßenreifen ersetzt. Natürlich wurde frei campiert (dache ich zumindest bei Tourstart), gekocht und den Weg würde ich schon irgendwie finden.
Mit damaliger Ausrüstung fahr ich heut auf keine Radtour mehr!
Voller Optimismus und Tatendrang starte ich und westwärts von Innsbruck (Innradweg) erwischt mich auch schon der erste Regenguss. Es ist September, der Wind belässt und es war schon etwas kühl. Ich stell mich auf die Situation ein und am späten Nachmittag erreiche ich Landeck und werde von meiner Oma umsorgt. Der darauffolgende Tag war, nach einem Opa Kurzbesuch, auch gleich der härteste Radeltag der gesamten Tour. Um aus Tirol raus zu kommen, muss man wohl oder übel über eine Pass, außer man wählt die Variante über Kufstein (Innradweg) und diesmal wollte ich nicht wieder über den verkehrsreichen Arlbergpass sonder zuerst nach Galtür ins Paznauntal und dann über das Zeinisjoch ins vorarlberger Montafon. Nach dem engen Taleingang und einigen Baustellen weitet sich das Paznauntal und die Straße teilt sich in die Silvretta Hochalpenstraße (Bielerhöhe) oder in den Radweg über das Zeinisjoch. Auf der Silvretta Hochalpenstraße bietet landschaftlich vielleicht mehr, mit dem Rad empfehle ich aber die Variante über das Zeinisjoch. Keine Autos und von Osten kommend recht einfach zu bewältigen.
Spätestens im Montafon musste ich feststellen, dass ohne Überhose nichts mehr geht. Es war regnerisch und kalt, aber zum Glück schlug ich mein Zelt in der Nähe eines Sportgeschäfts auf wo ich noch fehlende Ausrüstung nachbeschaffen konnte. Es war doch September, die Sonne sollte scheinen und mich wärmen. Am darauffolgenden Tag radelte ich weiter in die Schweiz. Auch im Land der Verbotsschilder hatte ich kein Glück mit dem Wetter. Nach einer kühlen Nacht am Bodensee fuhr ich weiter immer den Rhein entlang nach Konstanz. Nach einem kräftigen Bußgeld an die schweizer Grenzpolizei (illegale Einreise per Rad über ein Zuggleis) welches mein studentisches Reisebudget etwas spannte bau ich nach eingeholter Erlaubnis mein Zelt auf einem Feld auf. Die Rechnung hab ich aber leider ohne den Altbauern gemacht. „Keiner schlaft auf mine Land“ bekam ich zu hören, packte alles wieder auf mein Rad und begann, die Dämmerung setzte bereits ein, die Weiterfahrt. Es ließ sich kein Zeltplatz mehr finden und noch im Dunkeln frage ich einen Passanten wo denn der nächste Campingplatz sei. Er war zufällig Landwirt und sein Hof lag direkt am Rhein. Ich sei natürlich herzlichst willkommen und könne hier gerne Zelten! So geschah es dann auch und kaum liege ich im Schlafsack kam der Bauer mit einem Teller Lasagna (Zitat: „Ist etwas zerronnen, aber schmeckt wie bella Italia“) an mein Zelt, später kam auch noch seine Frau mit Cafe und Kuchen. Komplett vollgefuttert und happy schlaf ich dann ein. Am nächsten Morgen lädt der Herr zum Frühstück zeigt mir die Waffensammlung seiner Vorfahren (mit Blick über den Rhein und der Bemerkung dass der Dütsche nicht weit sei) und ich setze meine Fahrt fort. Wieder versöhnt mit den Eidgenossen fahr ich weiter nach Schaffhausen besuche die Rheinfälle und schließlich bis Basel, wo sich das Französische mit dem Deutschen bereits mischt.
In Frankreich ist der Rheinradweg nicht mehr so gut beschildert wie in der Schweiz und es passiert mir ein erster Orientierungsschnitzer. Von Basel aus fahre ich irgendwie nicht mehr den Rhein entlang, es gibt dort viele Kanäle und der Rhein teilt sich auch immer wieder in alten Rhein und neuen Rhein. Jedenfalls lande ich in Mülhausen (Mulhouse) welches auf meiner Deutschlandkarte nicht mehr eingezeichnet ist und frage mich, keine Ahnung wie aber sicher nicht auf Französisch, wieder zurück Richtung deutsche Grenze. Es geht den Rhein entlang nach Norden. Mal auf französischer, mal auf deutscher Seite die Radwegbeschilderung ist aber überall dürftig. Die Investition in den Rheinradführer sollte, für alle die es mir gleich tun wollen, besser getätigt werden.
Nach einem Abstecher nach Strassburg wird’s historisch nun wieder spannend. Ich komme nach Worms eine sehr alte Stadt und bekannt durch das Nibelungenlied besuche dort den Dom und radle weiter nach Bingen. Nördlich dann der wohl schönste Abschnitt auf dem gesamte Rheinradweg. Der Rhein schneidet sich hier durch das Hügelland und links und rechts sieht man alte Burgen die von Wäldern und Weinfelder umrankt sind. Einige Tage später erreiche ich Köln und spiele mit dem Gedanke meine Tour frühzeitig abzubrechen. Es regnet schon fast jeden Tag seit meinem Start in Innsbruck und der August war der kälteste seit einigen Jahrzehnten. Ich besichtige bzw. umrunde erst den Kölner Dom und da der Bahnhof gleich daneben liegt checke ich meine Optionen für die Rückfahrt nach München und dann nach Innsbruck. Ich verwerfe aber die Gedanken, Amsterdam ist das Ziel, nicht Köln.
Es geht weiter durch das Ruhrgebiet und Freicampen wird zum „Ninja campen“ (Ninjacamping= Wildcamping unter erschwerten Bedingungen). Ab und zu bin ich dann doch gezwungen auf offizielle, zu meinem Erstaunen aber günstige, Campingplätze auszuweichen.
Ich arbeite mich weiter Richtung holländische Grenze und, man glaubt es kaum, das Wetter wurde ab und zu ein bisschen besser. Ich besuche das Kriegsmuseum in Arnheim und fahr dann in einem Zug weiter bis Amsterdam. Endlich am Ziel checke ich beim völlig überfüllten Campingplatz nahe dem Zentrum ein. Amsterdam ist eine schöne und sehr fahrradfreundliche Stadt. Neue und alte Gebäude fügen sich stimmig ins Stadtbild, Kanäle durchschneiden die Stadt und überall gibt es Radwege die an netten Cafés vorbeiführen. Genug von vielen Radeln, insgesamt war ich zweieinhalb Wochen unterwegs gewesen und nach einem Tag Stadtbesichtigung checke ich mir ein Bahnticket für den Nachtzug nach München.
Es war eine super Reise den Rhein entlang kann ich besonders für Fernreise Anfänger empfehlen. Ausrüstungstechnisch war starker Nachholbedarf gegeben. Packtaschen müssen wasserdicht sein (Vaude oder Ortlieb) auch ein low rider und vordere Packtaschen fehlten mir damals. Auch war ich ohne GPS und genauer Karten unterwegs und meine Bekleidung entsprach auch nicht gerade heutigem Standard. Möglich ist aber trotzdem alles, viel wichtiger sind Durchhaltevermögen und Erfahrung. Der Rheinradweg ist technisch nicht schwierig und meist asphaltiert. Es gibt immer wieder kleine Pensionen die sich auf Radreisende spezialisiert haben. Campingplätze sind, wenn auch nicht im Überfluss, aber doch vorhanden.
Wie gesagt empfehle ich die Route vor allem für Anfänger, aber auch für historisch und kulturell interessierte und überhaupt jeden Radler, der gerne über mehrere Wochen hinweg unterwegs ist.
Strecke: Von Innsbruck über das Zeinisjoch nach Vorarlberg. Dann den Bodensee und den Rhein entlang bis Basel. Dann nach Norden bis Worms, Köln, Arnheim und schließlich bis Amsterdam. Fahrzeit ca. zweieinhalb Wochen.
Infos: http://www.rheinradweg.eu/