Am nächsten Tag brachen wir Richtung Osten in die Talfurche auf, die wir die nächsten fünf Tage nicht mehr verlassen sollten. Es war weiterhin recht stürmisch aber das Wetter begann sich zu bessern. Zwei Tage später erreichten wir die norwegisch- schwedische Grenze und rückten unserem Ziel Abisko immer näher. Unsere Kost bestand in der Früh aus Müsli und Milch (aus bestem Milchpulver versteht sich) zu Mittags aus einer Jause und abends steht‘s aus unserem „Lieblingsgericht“ Spaghetti. Aus heutiger Sicht würde ich den Ernährungsplan durch Polenta, Reis und Kartoffeln ergänzen. Damals waren wir aber noch nicht so schlau.
Bei einer Mittagspause rannten uns dann zwei Mädels, eine Deutsche und eine Dänin über den Weg gemeinsam versuchten wir uns im Backen von Stockbrot. Wir hatten einen Kilo vorgefertigtes Brot dabei, welches wir zumindest in unserer Phantasie nur mit Wasser zu mischen und anschließend aufzubacken brauchten. Man konnte den Teig aber auch auf Holzstangen wickeln und übers Feuer halten. Das Ergebnis war immerhin essbar! Wir schlugen unsere Zelte am Gamaeatnu, einem Fluss der Richtung Osten in den Abiskojaure See mündet auf. Am nächsten Morgen, ich leicht irritiert was soll’s man war ja noch jung, Rainer frohen Mutes wanderten wir weiter nach Osten und erreichten abends schon den Abisko National Park.
Viel Unterschied zwischen Nationalpark und dem Land um das Gebiet herum konnten wir nicht feststellen. Die Landschaft im Norden Skandinaviens ist überall nur sehr dünn besiedelt und für den Naturfreund und Bergwanderer ein Paradies. Wir stellten aber recht schnell fest, dass wir in den Kungsleden (ein sehr bekannter schwedischer Weitwanderweg) eingebogen waren. Bisher hatten nicht viele Wanderer unseren Pfad gekreuzt, das änderte sich nun. Auch war der Track viel besser ausgebaut als auf der norwegischen Seite wo man sich den Weg (falls vorhanden) immer wieder suchen musste. Auch die Infrastruktur am Kungsleden kann sich sehen lassen. Es gibt immer wieder Schutzhütten, die Wege sind gut ausgebaut und Beschriftet und an den großen bewirtschafteten Hütten kann man Vorräte auffüllen. So geschehen an der „Abiskojaure Stugorna“ einer Versorgungsstation westlich des Abiskojaure Sees wo ich meiner Schokoladesucht Tribut zollen musste.
Auf dem Weg nach Abisko sind wir dann den ersten Rentieren begegnet. Schon früher fielen uns die langen Zäune auf die die Landschaft durchschnitten, wir konnten uns aber keinen Reim daraus machen wozu sie genau dienten. Es war für uns ein besonderes Erlebnis, da wir noch nie ein Rentier gesehen hatten. Wir staunten über die große Herde die friedlich in unserer Nähe graste.
Gegen Abend erreichten wir schließlich die ca. 80 Einwohner zählende, an der Erzbahn von Kiriuna nach Narvik gelegene Metropole Abisko. Wir beschlossen uns erst mal für zwei Nächte am Campingplatz einzunisten. Der Name Abisko kommt aus dem Nordischen und bedeutet „Wald am See“ oder Samisch „Meereswald“ und Nomen est Omen, genau so sieht es auch dort aus. Hier wurde erst mal ausgiebig geduscht und relaxed. In Abisko gibt es zwei Möglichkeiten einzukaufen. Die Touriststation nördlich von Abisko und den Großen Supermarkt im Süden. Im Supermarkt sind die Lebensmittel günstiger und wir entschlossen uns zu einer kleinen Shoppingtour. Prompt setzte bei uns der Kulturschock ein. Unsere Augen, durch die letzten Tage nur an die Farben der Natur gewöhnt, wurden durch Werbeaufschriften und knallige Farben regelrecht Reizüberflutet. Das sofortige Shopping Glücksgefühl (ja das kann auch bei Männern passieren) setzte ein und wir gaben uns dem hemmungslosen Kaufrausch hin. Beladen mit Chips, Bier, Schokolade und einer Dose einer schwedischen Fischspezialität kehrten wir zum Campingplatz zurück. Wieder in der Welt des Überflusses sollte unser Fressgelage im Verzehr der schwedischen Fischspezialität enden. Auf die Frage, was denn diese Dose beinhalte meinte der Verkäufer: „That’s rotten fisch, it smells like hell, but it tastes very good“. Mein tapferer Mitstreiter Rainer befreite die Dose von ihrem Überdruck und eine Fontäne des Grauens schoss in die Höhe. Auf dann, machten wir uns ans Probieren und vom Geruch nicht gerade inspiriert kostete ich ein kleines Eck vom guten Fisch. Rainer jedoch kannte hier kein Erbarmen und selbstgeißelte sich mit dem Verzehr eines kompletten Fisches. Nach einer ersten Verköstigung beschlossen wir die Spezialität noch einige Tage reifen zu lassen und stellten sie erstmals bei Seite.
Wir besuchten auch die Touriststation im Norden von Abisko es gibt dort viele wichtige Infos und interessante Vorträge. Wir wussten zum Beispiel nicht, dass es auch einen Wolf und Bären in der Region geben kann. Auch zum Supermarkt mussten wir nochmal um diesmal sinnvoll einzukaufen und genug Vorräte für den Rückmarsch nach Narvik zu haben. Wir hatten uns gut erholt und sind bereit für eine neue Erkundungstour.